Was darf’s sein – mit oder ohne Leid!? – Mitleid mit Menschen mit Behinderung

Wenn ich die Wahl hätte zwischen ‚Mitleid‘ und ‚ohne Leid‘, dann würde ich mich immer für letzteres entscheiden. Erstaunlich finde ich, dass das scheinbar nicht jedem so geht. Immer noch begegnen mir im Alltag Mitmenschen, die scheinbar sehr unter meiner ‚Behinderung‘ leiden. Das äußert sich in niedergeschlagenen Blicken oder Sätzen wie ‚Das ist soooo schön, dass du soooo viel Lebensmut hast!‘ – einer meiner Lieblingswortfettnäpfe.

Solche Statements fallen oft gerade auf fröhlichen Freizeitveranstaltungen. Ich empfinde das als schräg und unpassend. Unpassend, weil sich dort meist alles um fröhlichere Themen dreht. Und schräg, weil ich dann das Gefühl habe, da redet jemand nicht über mich, meint aber mich. Das ist in etwa so, als würde ich Nachbarin Musterfraus Lottogewinnerlächeln mit ‚Ich fühle mit Ihnen, Sie sind echt vom Leben gebeutelt!‘ kommentieren.

Auch das Leben mit ‚Behinderung‘ ist nicht jeden Tag ein Lottogewinn – vermutlich genauso wie ‚ohne‘. Begegnen wir uns aber mit Mitgefühl, erspüren wir, was wirklich, in dem/der* anderen gerade vorgeht und können super ins Gespräch kommen. Mitleid hingegen ist der Versuch, Leid in der Situation des/der* anderen zu sehen, weil wir vermuten, dass es uns selbst in dieser Situation so gehen würde. Ich wünsche mir, dass wir diese schnellen Einschätzungen immer hinterfragen.

Meine Diagnose ‚Spina Bifida‘ oder ‚‚Offener‘ Rücken’ tut nicht weh – ich spüre ja meine Beine gerade eben nicht. Was aber auf jeden Fall extrem unangenehm sein kann, ist mit manchmal missionarischer Hartnäckigkeit (‚Du MUSST doch leiden, weil ich an DEINER Stelle leiden würde!? Und wenn nicht, brauchst du professionelle Hilfe!‘) die gut gemeinten Leidensfantasien von z.B. nüchternen oder betrunkenen Partygästen übergestülpt zu bekommen. ‚Sorry, das ist nicht mein Film und nicht meine Rolle, sondern Ihr Kopfkino!‘.

Ich glaube, diese Kopfkino-Dramen helfen uns nicht weiter, wenn wir etwas über andere Lebenssituationen erfahren wollen. Und bei der Frage ‚Mit oder ohne Leid!?‘ oder ‚Leidet der/die* andere gerade?‘ sind wir mit Mitgefühl besser beraten, als mit Mitleid. So, nun bin ich das Leidensthema leid.

Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Wie geht es euch mit Mitleid und Mitgefühl? Findet ihr, dass z.B. eine gute Rollstuhl-Versorgung dieses Bild von ‚Leidenden Menschen mit ‚Behinderung‘‘ verändern kann oder schon verändert hat?

Was darf’s sein - mit oder ohne Leid